Das Salz Swanetiens

Jim Shvante

TerminDienstag, 21. März 1995
Samstag, 29. Juni 2013 | 19:00 | Filmforum NRW im Museum Ludwig
Stummfilm mit Live-Klavierbegleitung
Produktion Georgien, UdSSR | 1930
Regie Michail Kalatosov
SonderreiheRetrospektive Michail Kalatosov

Der Film ist ein ethnographischer Bericht über die isolierte Bergregion Swanetien im Kaukasus. In seinem schönen, herben und mitunter grausamen Werk, lässt uns Kalatosow eine archaische Gesellschaft betrachten und tut dies mittels Montage und visuell betonter Filmsprache, den klassischen Mitteln der sowjetischen Filmkunst. Beeindruckend ist die Kraft der entfesselten Kamera. Die Bildspannung erwächst aus dem Kontrast zwischen den grandiosen Aufnahmen der kaukasischen Bergnatur und den durch Armut und Aberglauben gekennzeichneten Dorfbewohnern. Die Thematik über den Sinn des Lebens widersprach in diesem Film den Dogmen des sozialistischen Realismus.

Dieser Film beschreibt das Leben der Bergbewohner von Ober-Swanetien, eine früher mit Ausnahme der kurzen schneefreien Zeit durch eine Bergkette vom übrigen Kaukasus total isolierten Region auf 2000 Metern Höhe. Italienisch anmutende Steintürme, die eine Verbindung mit den Kreuzfahrern vermuten lassen, zeugen noch von der früheren Verteidigung Swanetiens gegen die Übergriffe feudaler Prinzen aus dem Flusstal. Durch diese Isolation bewahrte die Bevölkerung dieser Gegend 1929 noch Reste alter Gebräuche (Opfer, Begräbnisrituale usw.). Das harte Klima, das Elend, der Mangel an Salz machten das Leben schwierig und trist. Jedes Jahr stieg die männliche Bevölkerung ins Tal (nach Nieder-Swanetien), um dort Geld zu verdienen. Auf dem Rückweg brachten sie ihren Familien ein kostbares Gut mit - Salz. Unzugängliche Bergpässe und Gletscher wurden unter großen Anstrengungen überwunden. Viele ertrugen die Mühsal des Marsches nicht und starben. Die letzten Einstellungen des Films zeigen, wie die Bergbewohner mit Hilfe der sowjetischen Behörden im Rahmen des ersten Fünfjahresplanes einen neuen Weg zur wirtschaftlichen Entwicklung beschreiten.
nach: Sovjetskije chudoshestvennye filmy, Moskau 1961, zit. nach: Kinemathek, Filme aus Georgien, Heft 52, Berlin, Feb. 1975 und anderen Quellen


Der Film, der für immer mit dem Volk jener Region verbunden bleiben wird, so wie man die spanischen Las Hurdes mit Buñuels „Land ohne Brot“ identifiziert, ist Kalatosovs „Das Salz Swanetiens“. Die beiden Filme sind in meiner Vorstellung auf immer miteinander verbunden - sie sind beide sur-realistisch im ursprünglichen Sinne des Wortes, beide zeigen gegenüber ihren tragischen Themen rauhes Mitleid, das viel bewegender ist als jeder Appell für Sympathie. Ich wünschte, daß Kalatosovs frühes Meisterwerk besser bekannt wäre, aber es ist eines der verschiedenen Opfer des internationalen Übergangs vom Stummfilm zum Tonfilm.
Jay Leyda: Kino. A History of the Russian and Sovjet Film. London 1960. Zit. nach Kinemathek, s.o.


Und schließlich entstand im Jahre 1930 der hervorragende ethnografische Film über das vergessene, im Bergmassiv des Kaukasus eingebettete Ländchen Swanetien. (...) „Dsim Schuante“ war das Debüt des jungen Kameramannes und Regisseurs Michail Kalatosov, eines Schülers von Kuleschov. Dieser Film war ein dramatischer Hilfeschrei der Bewohner des Kaukasus. Es ist ein schönes, herbes, sogar grausames (im Stil an Buñuels erinnerndes) Werk, das vom Talent und dem ideologischen Engagement seines jungen Künstlers zeugt.
Jerzy Toeplitz: Geschichte des Films, Bd. 1, Henschelverlag, Berlin (DDR), 1984


„Das Salz Swanetiens“, mit Bildern von großer Schönheit, offenbarte uns den Georgier Michail Kalatosowschwili (umbenannt in Kalatosov). (...) Der Kameramann, der hier sein Regiedebüt gibt, liebt raffinierte Einstellungen à la Dovschenko. In einigen Effekten erkennt man schon den späteren Autor von „Wenn die Kraniche ziehen“. Der Schluß des Films ist optimistisch: Es wird eine Straße gebaut, die Swanetien mit der Zivilisation verbindet.
Georges Sadoul: Histoire générale du cinéma, tome 6, Ed. Denoël, Paris 1975


Biofilmographie Michail Kalatosov
1903 (Tiflis) - 1973 (Moskau). Im georgischen Filmstudio lernte er Kamera und Montage, später leitete er einige Jahre das Studio in Tiflis, drehte dann in Leningrad und Moskau eine Reihe von Filmen, die sich den kulturpolitischen und ästhetischen Erfordernissen der Stalin-Ära anpaßten („Die Unbesiegbaren“, 1943, „Die Verschwörung der Verdammten“, 1950). Erst nach Stalins Tod fand er zu dem lyrischen und romantischen Stil seiner Anfänge zurück. „Wenn die Kraniche ziehen“ wurde 1957 zum filmischen Signal der Chruschtschovschen Tauwetter-Periode. Im gleichen Geist drehte er 1960 den Film „Ein Brief, der nie ankam“. Seine letzten Filme drehte er in Co-Produktion mit Kuba („Ich bin Kuba“, 1964) und Italien („Das rote Zelt“, 1971).nach: Programm Filmpodium der Stadt Zürich, Juni 1989

Länge 55 Min.
Fassung Stummfilm
Format 35 mm
Handlungsland UdSSR, Georgien
Stichworte Reisen / Tourismus, Dokumentarfilm, Historienfilm, Armut, Zentralasien, Schwarzweiß-Film, Stummfilm
Verleih Kommunales Kino, Freiburg